Wissenschaftler erfassen Quellen in der Umgebung von Liberec kartografisch und suchen Zeitzeugen
Liberec – Insgesamt 43 Quellen im tschechisch-deutschen Grenzland kamen bei den Wissenschaftlern der Technischen Universität Liberec, der Tschechischen Landwirtschaftsuniversität und der Technischen Universität Dresden für die Zwecke Ihres Projekt Quellen Verbinden Landschaften und Staaten - Umweltbildung und Kooperation in der Region Liberec-Zittau in die engere Wahl. Sie interessieren sich nicht nur für die Koordinaten der Orte, an denen die Quellen vorkommen, für ihre botanischen und zoologischen Charakteristika und die hydrochemischen Eigenschaften. Bei den weiteren Schritten der „kartografischen Erfassung“ richten sie ihre Aufmerksamkeit auf kulturgeografische Forschungsaspekte. Diese Forschung erfolgt vorläufig auf tschechischem Territorium, im nächsten Jahr wird sie nach Deutschland verlagert. Zur Teilnahme ist auch die Bevölkerung aufgerufen.
„Bei der Forschung interessieren wir uns für die Geschichte der untersuchten Quellen, für ihre Nutzung durch die Menschen in Vergangenheit und Gegenwart, für die Namensgebung vor dem Krieg und heute sowie für Legenden, Rituale und Geschichten, die mit den Quellen verbunden sind. Wir wollen auch herausfinden, ob sich die Ortsansässigen für ihre Quellen interessieren und ob und wie sie sich um diese Quellen in ihrer Umgebung kümmern.“ erklärt die Forschungsleiterin Kateřina Rudincová, eine Expertin für Kulturgeografie.
Zu den beliebten und immer noch praktizierten folkloristischen Elementen gehört das Eröffnen der Quellen im Frühjahr, d. h. das symbolische Säubern der Quelle nach dem langen Winter. Mit den Quellen sind auch Legenden aller Art verbunden. Zu den bekanntesten zählt die Legende über die Quelle der Heiligen Zdislava von Lemberk. In der Dalimil-Chronik wird erwähnt, dass Zdislava mit dem Quellwasser Hautkrankheiten heilte, Blinden ihr Augenlicht wiedergab, Lahmen die Fähigkeit zur Bewegung und andere Schwerkranke gesunden ließ. Lokalen Themen widmet sich in ihrem Schaffen eine Reihe lokaler Autoren und Karolína Světlá verlegte den Ort der Handlung ihrer Erzählungen in die Gegend unter dem Ještěd.
Neben dem Aufsuchen von Quellen und deren Studium in den Bibliotheken kommen die Wissenschaftler mit ihren Studenten auch nach Draußen zu den Bürgermeistern der Orte in der Nähe der ausgewählten Quellen. Im August und September besuchten sie einige in der Gegend von Liberec und in Grenznähe (Janův Důl, Hlavice, Lesnovek, Světlá pod Ještědem, Chrastava). Einen ausgezeichneten Empfang und gute Zusammenarbeit erfuhren sie bei den Bürgermeistern von Krompach, Varnsdorf und Osečná. Im Kataster von Osečná befindet sich das Quellgebiet der Ploučnice und auf diesen Ort verweist eine der Erzählungen von Karolína Světlá. „Es schien, dass unser Projekt bei den angesprochenen Bürgermeistern wohl Interesse geweckt hat, sie waren sehr kommunikativ, versuchten uns möglichst viele Informationen zu liefern und auf weitere Fachleute oder ortsansässige Bürger aufmerksam zu machen, die noch mehr über die Quellen wissen könnten. Die Studenten lobten sehr das Entgegenkommen des Bürgermeisters von Osečná Jiří Hauzer, der ihnen eine Vielzahl von Informationen lieferte.“ ergänzt Rudincová.
Die Wissenschaftler wandten sich auch an die Öffentlichkeit. Für ihre Forschung sind konkrete persönliche oder Familiengeschichten und aktuelle Erlebnisse ebenfalls sehr wertvoll. „Wir möchten etwas über scheinbar alltägliche Gewohnheiten und Erlebnisse erfahren, da wir die Wechselwirkung zwischen den Einwohnern und den Quellen in ihrer Umgebung dokumentieren wollen. Erinnern Sie sich an Ihren Großvater, der mit seinem Pferdegespann an einer der Quellen rastete? Machen Sie regelmäßig zu einer der Quellen einen Familienausflug? Quellen finden wir an romantischen Orten und verbinden mit ihnen auch persönliche Erlebnisse. Auch solche Informationen sind für unsere Forschung sehr wertvoll, obwohl sie manchem unwichtig erscheinen mögen. Teilen Sie diese mit uns!“ ruft Hynek Böhm auf, ein Experte auf dem Gebiet interkultureller Bildung.
Die Wissenschaftler suchen vor allem Zeitzeugen. Sie wollen ein Maximum an Informationen zu den Quellen im Gebiet zwischen Liberec und Zittau gewinnen. Sie interessieren sich vor allem für Fotografien, persönliche Geschichten, Familienerinnerungen oder frühere lokale Bezeichnungen. „Wir würden uns freuen, wenn uns irgendjemand z. B. eine vergessene Quelle meldet, von deren Existenz wir noch nichts wissen. Jeder „Entdecker“ mit einem Tipp für eine unbekannte Quelle, einem Sujet, einer Fotografie oder anderweitiger Information wird von uns belohnt.“ ergänzt Jiří Šmíd, der Projektleiter von der Technischen Universität in Liberec.
Für die Meldung von Informationen wurde eine spezielle online Karten-App unter http://prameny.tul.cz/mapa erstellt. Mit deren Hilfe kann die Stelle markiert sowie der offizielle und inoffizielle Name und der Typ der Quelle eingegeben, Fotografien hochgeladen und eine kurze Geschichte hinzugefügt werden.