Wir untersuchen Quellen, spüren Zeitzeugen und ihre Geschichten auf
Kateřina Rudincová ist eine junge Wissenschaftlerin, die sich mit Kulturgeografie befasst. Im Rahmen des Projektes „Quellen verbinden Landschaften und Staaten“ widmet sie sich der kartografischen Erfassung der Historie der Orte, wo Quellen vorkommen, und der mit ihnen verbundenen Begebenheiten. Gemeinsam mit ihren Studenten sucht sie Zeitzeugen, die vor allem für den Zeitraum vor 1945 behilflich sein können.
Was sollen wir uns unter „kulturhistorischer“ Forschung vorstellen?
Wir konzentrieren uns auf die Geschichte der Quellen, ermitteln ihre frühere und gegenwärtige Namensgebung und ihre Nutzung früher und heute. Bei der Forschung versuchen wir Rituale, Legenden und Vorkommnisse aufzuspüren, die mit den Quellen in Zusammenhang stehen, und auch ob die lokale Bevölkerung sich für die Quellen interessiert und wie sie sich darum kümmern.
Wie ermitteln Sie diese Informationen?
In der ersten Phase der Forschung haben wir die Bürgermeister der Orte angesprochen, wo sich die ausgewählten Quellen und Brunnen befinden, und baten sie um ein Gespräch und weitere Kontakte. Die aufgezeichneten Gespräche bearbeiten wir jetzt, halten sie schriftlich fest und werten sie aus. In der nächsten Phase werden wir die Vorkommen der Quellen auf alten Karten untersuchen und die in den Gesprächen gewonnenen Informationen mit Erkenntnissen aus Archivquellen ergänzen. Wir suchen auch nach alten Fotografien der Quellen, um sie mit dem aktuellen Zustand zu vergleichen.
Was wollen Sie mit Ihrer Forschung herausfinden?
Wir nehmen an, dass die meisten Brunnen von der bis 1945 auf unserem Territorium lebenden deutschsprachigen Bevölkerung errichtet wurden. Danach führte der Bevölkerungswandel nicht nur zu neuen Ortsnamen, sondern auch zu Veränderungen bei der Nutzung der Quellen. Die Kontinuität ging verloren, die Menschen hörten auf, sich um manche Quellen zu kümmern, und begannen erst mit erheblicher Verzögerung mit deren Erneuerung, zuweilen erst in den achtziger Jahren.
Welche Informationsquellen nutzen Sie für die Forschung?
Wir interessieren uns für Legenden, die sich um die Quellen ranken, und suchen verständlicherweise Erwähnungen der Quellen in der Lokalliteratur heraus. Wir recherchieren auch zu den Ritualen, die an den Quellen stattfinden, wie dem Eröffnen der Quellen im Frühjahr. Schlüsselbedeutung für unsere Forschung haben die Geschichten konkreter Menschen, ihre Erinnerungen und aktuellen Erlebnisse. Wir würden uns sehr freuen, wenn sich die Öffentlichkeit an unserer Forschung beteiligen würde. Sie können die online App http://prameny.tul.cz/mapa nutzen oder mit uns unter der Nummer 485 354 159 telefonisch Kontakt aufnehmen.
Wer nimmt an der Forschung teil und haben Sie schon Untersuchungen vor Ort angestellt?
Die Forschung im Bereich Humangeografie führen mein Kollege Hynek Böhm und ich gemeinsam, bei den alten Karten hilft uns der Geograf Honza Hásek. An der Forschung beteiligen sich unsere außerordentlich tüchtigen Studenten: Lukáš Frýda, Martina Řádová, Jana Krejzová, Erik Lehmden, Eva Krňanská, Lucie Pavlištová und Zuzana Marušaková. Sie haben auch über die Ferien fleißig gearbeitet und die ausgewählten Gemeinden aufgesucht. So interviewten sie z. B. die Bürgermeister aus Janův Důl, Krompach, Hlavice, Varnsdorf, Osečná, Lesnovka, Světlá pod Ještědem, Krásná Lípa und Chrastava.
Wohin werden Sie noch aufbrechen?
Den deutschen Teil unseres Territoriums haben wir bisher überhaupt nicht abgearbeitet und im tschechischen Teil werden wir zu ausgewählten Quellen zurückkehren um zusätzliche Informationen von den Ortsansässigen zu erhalten. Wir wollen so viele Zeitzeugen wie möglich ausfindig machen, die uns vor allem Informationen zur Nutzung der Quellen liefern können. Eine weitere Aufgabe ist es, die Quellen in der Umgebung von Liberec genauer zu untersuchen hier Leute zu Gesprächen zu gewinnen, die in der Nähe der Quellen leben.
Wie reagieren die Bürgermeister auf Ihre Forschung?
Im Großen und Ganzen hat unser Projekt „Quellen verbinden Landschaften und Staaten“ bei den angesprochenen Bürgermeistern Interesse geweckt. Sie waren mitteilsam und haben sich bemüht, uns so viele Informationen wie möglich zu geben und gegebenenfalls auf andere Fachleute oder lokale Einwohner zu verweisen, die über die Quellen mehr wissen könnten. Die Studenten lobten besonders die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister von Osečná Jiří Hauzer, der ihnen eine Unmenge Informationen lieferte. Interessante Informationen gelang es den Studenten auch in Varnsdorf und in Krompach zu erhalten. Wir danken allen für ihr Entgegenkommen und die Zeit, die sie uns widmeten.
Wer von Ihren Befragten war bisher am kommunikativsten?
Mikuláš Peterka vom Klub Tschechischer Touristen in Krásná Lípa hat mehrere Stunden mit uns verbracht. Unmittelbar im Gelände hat er uns die Quellen gezeigt, um die sich ihr Klub kümmert, darunter auch die Quelle Blažena und die Quelle der Kirnitsch, die wir für unsere Forschungen ausgewählt haben.
Was sind die Zwischenergebnisse ihrer Forschung?
Die von uns angesprochenen Personen haben verhältnismäßig großes Interesse an den Quellen und Brunnen. Es gelingt uns aber nicht sonderlich, nähere Informationen über die Nutzung der Quellen vor 1945 und in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu erhalten. Es freut uns, dass sich die Menschen gegenwärtig um die Quellen und Brunnen kümmern, diese säubern und ihr Wasser sehr oft als Trinkwasser nutzen. Es ist uns auch gelungen, einige Legenden und Geschichten zu sammeln, z.B. wie die Quelle Blažena zu ihrem Namen kam oder Sagen über die Quelle der Ploučnice. Einige Quellen sind auch Begegnungsstätten geworden. So finden z. B. an den Quellen der Kirnitsch Kulturveranstaltungen statt.
Wie geht die Bearbeitung der Gespräche voran? Werden Sie die Forschungsergebnisse veröffentlichen?
Die Bearbeitung der Gespräche aus der ersten Forschungsphase wird bestimmt innerhalb eines Monats abgeschlossen sein. Für das ganze Projekt haben wir noch rund 2 Jahre, wobei wir laufend weitere Informationen erfassen werden. Die Endergebnisse nutzen wir zur Erstellung einer interaktiven Karte, die wir veröffentlichen. Unsere Erkenntnisse nutzen wir auch für den Unterricht an den Grund- und Mittelschulen der Region. Ich selbst würde gern zumindest einen populärwissenschaftlichen Artikel über die interessantesten ausgewählten Quellen schreiben.
Viel Glück.
Persönliches Profil: Mgr. Kateřina Rudincová, Ph.D.
- Expertin auf dem Gebiet der Kulturgeografie
Sie absolvierte die Magisterstufe im Fach Kulturanthropologie des Nahen Ostens an der Westböhmischen Universität in Pilsen. Zur Geografie kam sie erst beim Doktorstudium im Fach politische und Kulturgeografie an der Universität Ostrava. Schon seit dem Bakkalaureusstudium interessiert sie sich vor allem für die politischen Prozesse im gegenwärtigen subsaharischen Afrika. Am Lehrstuhl für Geografie der FP TUL unterrichtet sie Fächer, die mit politischer und regionaler Geografie zusammenhängen. Zu ihren Vorlieben gehören Geschichte und das Kennenlernen anderer Kulturen.
Im Projekt „Quellen verbinden“ hat sie die Aufgabe herauszufinden, auf welche Weise die Quellen in der Vergangenheit genutzt wurden und was sie der lokalen Bevölkerung heute bedeuten. Außerdem sammelt sie mit ihren Studenten Legenden und Begebenheiten, die mit den Quellen verbunden sind. Worauf sie sich bei dieser Forschung persönlich besonders freut? „Wir bereiten uns auf Gespräche mit Zeitzeugen und Ortsansässigen vor, analysieren diese, planen das Durchforsten der Archive und wollen die Regionalliteratur sichten. Ich freue mich besonders darauf zusätzliche Information über die Geschichte der Region zu gewinnen, in der ich schon das dritte Jahr lebe und mit der ich allmählich vertrauter werde.“